19.05.2020    3 Bilder

Gewerbe und Handwerk kämpft mit Bürokratie, langen Zahlungszielen und Lehrlingsmangel

Weniger Steuern und Bürokratie sowie kürzere Zahlungsziele seitens öffentlicher Auftraggeber würden zur Stabilität der heimischen Betriebe beitragen. Lehrlinge sind nach wie vor gefragt.
© WKT/Oss

Der Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk fordert: "Damit unsere Firmen stabiler werden, müssen sie dringend von überzogener Steuerlast und ausufernder Bürokratie befreit werden!"

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Die Sparte Gewerbe und Handwerk vereint in Tirol eine Vielzahl von Berufsgruppen. Dementsprechend facettenreich war die Entwicklung in den vergangenen zwei Corona-Monaten. Spartenobmann Franz Jirka skizziert in einem gemeinsam mit dem Landesinnungsmeister der Metalltechniker, Christian Dollinger, sowie dem WK-Lehrlingskoordinator, David Narr, geführten Online-Pressegespräch die aktuelle Stimmungslage und notwendige Maßnahmen, um dem gesamten Wirtschaftssektor neuen Schwung zu verleihen. Jirka betont, dass eine einheitliche Aussage für die sehr breite Sparte – bestehend aus 28 Fachgruppen, in denen insgesamt 120 Berufe abgebildet sind – nur bedingt möglich ist.

Eines ist für Jirka allerdings klar: „Wir können definitiv nicht von Gewinnern auf der einen und Verlieren auf der anderen Seite sprechen. Weit zutreffender ist es, wenn wir hier von Betroffenen und stark Betroffenen sprechen.“ Gesamtheitlich betrachtet, bringt die Corona-Krise für alle Betriebe, und sei es auch über Umwege, einen spürbaren Dämpfer. Selbst bei systemrelevanten Unternehmen, die vom Lockdown nicht direkt erfasst waren, gab es in den ersten ein bis zwei Wochen eine Art Schockstarre, da die Rahmenbedingungen, unter denen sicheres Arbeiten möglich sein würde, noch nicht ausreichend bekannt waren.

Gefangen im Bürokratiefilz
Der Spartenobmann hofft, dass die Krise auch positive Effekte haben wird. „Corona hat gezeigt, dass sehr viele Betriebe über extrem wenig Reserven verfügen. Damit unsere Firmen stabiler werden, müssen sie dringend von überzogener Steuerlast und ausufernder Bürokratie befreit werden“, fordert der Spartenobmann. Franz Jirka nennt konkret einige Bereiche, die in den letzten Jahren zur Belastung für die Betriebe geworden sind: Die Datenschutz-Grundverordnung und auch die vorgeschriebenen Arbeitsplatzevaluierungen bedeuten in der Praxis für die Firmen sehr viel Aufwand, aber kaum erkennbaren Nutzen. „Diese Vorschriften müssen dringend überarbeitet und vereinfacht werden“, fordert Jirka. Ähnliches trifft für den Spartenobmann in den extrem komplex gewordenen Materien wie dem Normungswesen, dem Bautechnikgesetz oder auch der Vergabeordnung zu, bei der für Jirka das Bestbieterprinzip noch zu wenig umgesetzt wird.

Öffentliche Hand lässt sich mit den Zahlungen Zeit
Der Landesinnungsmeister der Metalltechniker, Christian Dollinger, ortet zwei „Baustellen“ für die heimischen Firmen. Bei den sehr industrielastigen Metallbetrieben ist für Dollinger die Antragstellung und Abwicklung der Kurzarbeit zu kompliziert. „Kaum sind die Betriebe in der Lage, die umfangreichen Formulare korrekt auszufüllen, kommt eine neue Version und der ganze Aufwand für die Firmen beginnt von vorne. Hier brauchen wir einfachere Regelungen, mit denen die Betriebe auch wirklich umgehen können“, fordert Dollinger.

Bei den baulastigen Metallbetrieben spielen vor allem öffentliche Auftraggeber eine zentrale Rolle. Die Unternehmen kämpfen – gerade jetzt – mit extrem langen Zahlungszielen. Die Prüffristen und Zahlungsziele öffentlicher Auftraggeber wie Bund, Land, Gemeinden, gemeinnützige Bauträger und auch jene der Generalunternehmer sind extrem lang. Viel Geld der Firmen ist für Vorleistungen – Lieferanten, Produktions-, Planungs- und Lohnkosten – gebunden, während die Zahlungen erst vier bis fünf Monate später fließen. Selbst bei Teilrechnungen betragen die gängigen Prüffristen 30 Tage, das Zahlungsziel weitere 20 Tage, bei Gesamtrechnungen liegt das Zahlungsziel meist bei 90 Tagen. Dazu kommt, dass Teilrechnungen nur freigegeben werden, wenn ein Gewerk schon fertig montiert ist. Akonto-Zahlungen für Planung, Materialbeschaffung und Produktion werden meist nicht freigegeben. Auch die Forderung nach Erfüllungsgarantien bei Antritt eines Auftrages ist in vielen Fällen überzogen und bringt seriöse heimische Firmen unnötig unter Druck. Dollinger schlägt vor, dass Zahlungen inklusive Prüffristen auf maximal 21 Tage festgelegt und bei Arbeitsbeginn 30 Prozent Akontozahlung erfolgen sollten. „Diese Straffung würde den Betrieben gerade in der schwierigen Zeit entgegenkommen und verhindern, dass finanzielle Engpässe selbst bei gesunden Betrieben entstehen“, so Dollinger.

Lehrlinge gesucht wie eh und je
Der Lehrlingskoordinator der WK Tirol, David Narr, erläutert, warum die duale Ausbildung im Gewerbe und Handwerk trotz oder gerade wegen der "Corona-Krise" gestärkt und weiter forciert werden muss: „ Die Lehre ist systemrelevant – das ist mit Covid19 noch deutlicher geworden“, erklärt Narr, „damit ist eine Lehre krisensicher wie keine andere Ausbildungsform. Der Bedarf an Lehrlingen ist im Vergleich zu 2019 praktisch gleichgeblieben, trotz Covid19.“ Der Lehrlingskoordinator untermauert diese Feststellung mit den aktuellen Zahlen: Derzeit sind in Tirol 10.189 Lehrlinge beschäftigt – rund die Hälfte davon im Gewerbe und Handwerk. Beim AMS waren mit Stand Ende April 2.257 offene Lehrstellen gemeldet, dem gegenüber standen nur 512 Lehrstellensuchende. Auch Christian Dollinger kann diesen Trend unterstreichen: Allein im Metallgewerbe sind derzeit 100 offene Lehrstellen beim AMS gemeldet. Für David Narr wird sich diese Entwicklung nicht nur während, sondern auch nach Corona fortsetzen. Es ist der politische Wille, verstärkt Produktionen nach Europa zurückzuholen. „Das geht nur mit entsprechend ausgebildeten Fachkräften. Für die Betriebe heißt das, dass sie noch mehr als jetzt in die Lehrlingsausbildung investieren werden“, so Narr.

Der Lehrlingskoordinator bekräftigt in diesem Zusammenhang die Forderung seitens der Wirtschaftskammer, die Gleichwertigkeit der Lehre mit schulisch-akademischen Ausbildungen weiter voranzutreiben. Ein wichtiger Mosaikstein liegt für Narr darin, dass die Kosten für die Berufsschulzeiten vom Staat übernommen werden. Derzeit kommen dafür die Lehrbetriebe auf.

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Bilder (3)

Franz Jirka
1 825 x 2 738 © WKT/Oss
Christian Dollinger
1 772 x 2 362 © Klaus Maislinger
David Narr
1 737 x 2 518 © WKT/Die Fotografen

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