Die Ausgangslage für die Tiroler Wirtschaft zu Beginn des neuen Jahres ist herausfordernd. Der Arbeitskräftemangel ist für viele Betriebe nach wie vor ein Problem, die Energiepreise und die Inflationsrate verursachen hohe Kosten, und die Kaufkraft ist gedämpft. Der Tourismus stellt eine wertvolle Stütze für den Standort Tirol dar. Die Verkehrswirtschaft und der Handel, vor allem aber die Industrie befinden sich stark unter Druck. „Es sieht also auf den ersten Blick relativ durchwachsen aus“, betont Wirtschaftskammer–Präsidentin Barbara Thaler, „auf den zweiten Blick zeigen sich jedoch auch Lichtblicke und Chancen.“
Dazu gehört die breite Struktur unseres Wirtschaftsstandortes. Tirol hat mit seinem einzigartigen Mix aus Dienstleistern und Produktionsbetrieben, aus kleinen, mittleren und großen Betrieben, aus Spezialisten und Allroundern, die Krisen der letzten Jahre besser überstanden als andere Standorte. „Ich habe in den vergangenen Jahren viele europäische Regionen kennengelernt - wenige sind so breit und stabil aufgestellt. Diese Balance müssen wir uns erhalten“, betont Thaler. Große Möglichkeiten liegen für Thaler in der fortschreitenden Digitalisierung. Eine „Verbesserung von Abläufen“ führe schlichtweg zu Effizienzsteigerung – das wirkt dem Arbeitskräftemangel entgegen und entlastet damit vor allem auch bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gerade in schwierigen Zeiten wie jetzt sind es für Barbara Thaler unternehmerische Antworten, die Zukunftslösungen bringen. „Herausfordernde Zeiten sind Zeiten des Unternehmergeistes. Und dieser ist in jedem Betrieb und in der Wirtschaftskammer Tirol zu Hause“, so Thaler.
Eine der zentralen Aufgaben der Wirtschaftskammer Tirol liegt für die Präsidentin darin, für die heimischen Betriebe geeignete Rahmenbedingungen auf allen Ebenen zu schaffen. Thaler sieht sowohl beim europäischen Lieferkettengesetz als auch bei den Regeln zu Wasserstoffproduktion und Import in die EU grobe Mängel, unterstreicht aber durchaus die großen Möglichkeiten Europas, auf der Weltbühne zu punkten. „Wir dürfen uns nicht klein reden, sondern müssen unsere Chancen nutzen“, fordert Thaler.
Dass Interessenvertretung wirkt, hat sich für Thaler deutlich beim Gesetz zur Höheren Beruflichen Bildung gezeigt, das nach jahrelanger Überzeugungsarbeit im Dezember beschlossen wurde. Dieses Gesetz gilt als bedeutender Meilenstein für die berufliche Bildung in Österreich. Auch 2024 wird die WK Tirol neben den Bereichen Service und Bildung vor allem auf die Interessen der heimischen Betriebe achten: „Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Tiroler Betriebe das Umfeld vorfinden, um das zu tun, was sie am besten können: Etwas unternehmen“, erklärt Barbara Thaler.
Wirtschaftliche Entwicklung im Bezirk Lienz
Der Bezirk Lienz blickt zurück auf ein von Herausforderungen geprägtes Jahr 2023, in dem steigende Energiepreise, die hohe Inflation sowie das Zinsniveau zur Verunsicherung von Konsument:innen und öffentlicher Haushalte führten. „Aufgrund der ausgewogenen Wirtschaftsstruktur Osttirols – insbesondere basierend auf Industrie, Gewerbe und Handwerk sowie dem Tourismus – und den gesunden Unternehmensstrukturen, bewies der Bezirk aber auch in der Krise eine hohe Widerstandskraft“, lobt Michaela Hysek-Unterweger, WK-Bezirksobfrau für Lienz, das unentwegte Engagement der Osttiroler Unternehmer:innen. Während das Niveau der Unternehmensgründungen im abgelaufenen Jahr konstant blieb, stieg die Anzahl der Dienstgeberbetriebe im Bezirk auf 1.310, wodurch die Zahl der unselbstständig Beschäftigten mit 20.412 Personen einen historischen Höchststand erreichte.
Arbeitsmarkt: Herausforderungen und Chancen
Währenddessen erreichte die Arbeitslosenquote im Bezirk Lienz im vergangenen Jahr mit 4,1 % einen dokumentierten Tiefstand. „Wir blicken nach wie vor auf eine Seitwärtsbewegung der Wohnbevölkerung in Osttirol bei einem gleichzeitig großen Anstieg offener Stellen im Bezirk. Dadurch bleibt der Druck auf den Arbeitsmarkt bestehen“, weiß Hysek-Unterweger. Um die Rahmenbedingungen für die heimische Wirtschaft langfristig abzusichern, setzt die Wirtschaftskammer Lienz darum auch im kommenden Jahr auf Maßnahmen, um den Fachkräftemangel abzufedern.
WK-Bezirksobfrau Michaela Hysek-Unterweger spricht sich daher für mehr steuerbefreite Überstunden, steuererleichtertes Arbeiten für Pensionist:innen sowie eine Erhöhung der Saisonkontingente aus. Auch eine Erleichterung der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifizierungsmaßnahmen zur Erlangung der Rot-Weiß-Rot-Karte würde aus ihrer Sicht zu einer Entspannung des Osttiroler Arbeitsmarktes führen. Zudem fordert Hysek-Unterweger einen gezielten Ausbau der elementarpädagogischen Einrichtungen im Bezirk. „Das Bekenntnis der Landesregierung zum Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ist bereits ein Erfolg. Nun gilt es seitens der Politik, diesen aber auch so rasch wie möglich umzusetzen. Speziell die Osttiroler Täler werden davon profitieren“, argumentiert die WK-Bezirksobfrau.
Mit den geplanten Initiativen der „Osttiroler Jobmesse 2024“, einer ganzjährigen digitalen Jobmesse und dem Projekt „Willkommenskultur/Welcome Center“ soll Arbeitssuchenden der Erstkontakt zu ihren zukünftigen Arbeitgebern:innen und Zuziehenden die Integration im Bezirk erleichtert werden. Zusätzlich setzt die WK-Bezirksstelle auf bewährte Maßnahmen wie Elterninformationsabende, das jährliche Berufs-Festival und Rookie-Workshops in den heimischen Betrieben, um die Lehrlingszahlen nachhaltig zu stärken. Aktuell sind im Bezirk 821 Lehrlinge in 291 Ausbildungsbetrieben beschäftigt. „Um den zukünftigen Bedarf an Fachkräften in Osttirol zu decken, werden wir weiterhin einen Fokus auf die Förderung der dualen Ausbildung legen“, so die Bezirksobfrau.
Zukunftsträchtige Lösungen für Energie und Verkehr
Die WK Lienz betrachtet die Entwicklung hin zu einer kreislauforientierten und klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft als wesentlichen Bestandteil der regionalen Entwicklung. „Initiativen für den Ausbau nachhaltiger Energieträger – wie PV, Wasser- oder Windkraft – sollten von allen Seiten unterstützt und die Diskussionen auf sachlicher Basis geltender Rechtsnormen, wie der Umweltverträglichkeitsprüfung, geführt werden“, fordert Michaela Hysek-Unterweger. Um auch in der Gesellschaft Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schaffen, engagiert sich die WK Lienz überdies am FFG-Projekt „Kreislaufwirtschaft – Zukunftswege und Lösungen für Osttirol“.
Auch beim Thema Verkehr setzt die WK Lienz auf zukunftsträchtige Lösungen. Während eine Mobilitätsstudie bereits 2019 aufzeigte, dass 85 % der Osttiroler Arbeitnehmer:innen mit dem Pkw zur Arbeit fahren, hält die Interessenvertretung der Osttiroler Wirtschaft weiter an der Forderung nach flächendeckenden ÖPNV-Anbindungen für den Werksverkehr fest. „Die seit Jahren in Diskussion befindliche Werkverkehrslösung für den Bezirk Lienz ist so rasch wie möglich umzusetzen. Fehlendes Fahrpersonal darf nicht als Argument für ein Nichtstun akzeptiert werden“, appelliert die Bezirksobfrau.
Ebenso fordert Michaela Hysek-Unterweger eine rasche Wiederherstellung der Verbindung über den Plöckenpass. „Die aktuelle Straßensperre des Plöckenpasses hat negative Auswirkungen auf unsere Wirtschaft und den Tourismus im Bezirk. Hier braucht es eine langfristig funktionierende und sichere Lösung für den Nord-Süd-Verkehr. Oberstes Ziel muss es aber sein, die Verbindung baldmöglichst wieder herzustellen“, so die Osttiroler WK-Bezirksobfrau.
Bildung als Fundament für Wachstum und Entwicklung
„Bildung ist ein weiteres Schlüsselelement für die wirtschaftliche Entwicklung Osttirols und entscheidend für die nachhaltige und digitale Transformation in unserer Region“, ist Hysek-Unterweger überzeugt. Darum setzt sich die WK Lienz neben einer Stärkung der dualen Ausbildung im Bezirk auch für den Ausbau des Universitätsstandorts Lienz ein. „Der Campus Lienz muss zu einem dezentralen, aber vollwertigen Universitätsstandort ausgebaut werden. Derzeit fehlt es sowohl an universitärer Lehre als auch an Forschungs- und Projektkooperationen mit der lokalen Wirtschaft“, argumentiert die Bezirksobfrau. „Es sind teure Strukturen geschaffen worden, die aktuell brach liegen – das ist auf Dauer nicht zu rechtfertigen“, so Hysek-Unterweger weiter. Aus Sicht der WK Lienz ist überdies auch die Errichtung eines Studierenden- bzw. Lehrlingsheims in Osttirol unabdingbar. „Das Kolping-Jugendheim in Lienz bietet nicht genug Wohnraum für Studierende, Lehrlinge und Schüler:innen. Die öffentliche Hand muss mehr Geld für den Bau neuer Wohnheime zur Verfügung stellen“, fordert die WK-Bezirksobfrau.
Zudem gelang es dem WIFI Lienz seine Position als führendes Bildungsinstitut für die Wirtschaft im Bezirk zu manifestieren. Im Jahr 2023 besuchten etwa 1.500 Kursteilnehmer:innen die rund 220 angebotenen Kurse und Trainings. Darüber hinaus können junge Fachkräfte im Bezirk über das LEADER-Projekt „Bildungsmatch“, einer von der WK Lienz in Kooperation mit der Fachberufsschule Lienz ins Leben gerufenen Initiative, spezielle Ausbildungsschwerpunkte absolvieren, um sich so höher zu qualifizieren.
Einen weiteren Grund zur Zuversicht lieferte der Tourismus. „Mit 2,16 Mio. Nächtigungen im Tourismusjahr 2022/2023 kann die Branche einen beachtlichen Zuwachs von 11 % zum Vorjahr verzeichnen und befindet sich mittlerweile über Vorkrisenniveau“, berichtet Hysek-Unterweger und spricht sich für die weitere Förderung touristischer Angebote in Seitentälern – wie Prägraten – aus, um die verschiedenen Osttiroler Tourismusregionen weiter zu unterstützen. „Um mehr Qualitätsbetten im Bezirk zu schaffen, muss der Ausbau der touristischen Strukturen in Osttirol stärker gefördert werden“, fügt die Bezirksobfrau hinzu.
Wertschätzung für lokale Unternehmer:innen
„Die Unternehmer:innen in Osttirol zeigen trotz schwieriger Rahmenbedingungen beeindruckende Erfolge“, fasst die Bezirksobfrau zusammen und bedankt sich bei den heimischen Wirtschaftstreibenden für ihren unermüdlichen Eifer. Exemplarisch dafür stehen elf Osttiroler Gault&Millau-Betriebe mit insgesamt 22 Hauben sowie 18 Betriebe im Bezirk Lienz, die mit dem Prädikat „Qualitäts-Handwerk Tirol“ oder „Qualitäts-Dienstleister Tirol“ ausgezeichnet wurden.
Mit regelmäßigen Top-Platzierungen bei den tirol- und österreichweiten Lehrlingswettbewerben zeugt auch der Fachkräftenachwuchs vom hervorragenden Ausbildungsniveau und dem hohen Qualitätsanspruch der Osttiroler Wirtschaft. Insbesondere die angehenden Tischler im Bezirk beeindruckten vergangenes Jahr mit Landessiegen in den ersten drei Lehrjahren und ritterten auch auf Bundesebene um Medaillen mit. „Solche Erfolgsgeschichten sind eine Bestätigung für den Erfolg der dualen Ausbildung im Bezirk. Ein großer Dank gilt auch den Lehrberechtigten, die durch ihre engagierte Lehrlingsausbildung einen wesentlichen Teil dazu beitragen", so Michaela Hysek-Unterweger.
Währenddessen zeigt auch das Bruttoregionalprodukt pro Einwohner:in eine positive Entwicklung, die den Einsatz und die Innovationskraft der lokalen Wirtschaft unterstreicht. „Besonders freut es mich, dass Projekte der Wirtschaft den durch lange politische Entscheidungswege verursachten Stillstand im Bezirk teilweise kompensieren können“, hebt Michaela Hysek-Unterweger die unternehmerische Initiative zur Kinderbetreuung im Osttiroler Oberland hervor.
Um die heimische Wirtschaft auch weiterhin optimal zu unterstützen und zu begleiten, steht die WK Lienz den Unternehmer:innen im Bezirk auch 2024 wieder durch eine Vielzahl von Beratungsleistungen, Sprechtagen und Services mit Rat und Tat zur Seite. „Mit einem zuversichtlichen Blick auf die Zukunft und einer starken Gemeinschaft sind wir bereit, die Herausforderungen und Chancen des neuen Jahres anzunehmen“, so WK-Bezirksobfrau Hysek-Unterweger abschließend.