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Informierten über die aktuelle Lage der Tiroler Lebensmittelgewerbe im Bezirk Schwaz: Innungsmeister Georg Schuler, Erlebnissennerei-Geschäftsführer Christian Kröll, Berufsgruppensprecher der Bäcker:innen Gerhard Gstrein und Konditor:innen-Sprecher Thomas Peintner (v.l.).
Die Bäcker:innen, Konditor:innen, Metzger:innen und Nahrungs- und Genussmittelbetriebe spielen im Bezirk Schwaz eine zentrale Rolle: Sie garantieren eine flächendeckende Nahversorgung und tragen wesentlich zur Wertschöpfung bei. Mit innovativen Ideen und gestützt vom Tourismus, behaupten sich die vier Gewerke selbst in herausfordernden Zeiten.
79 Betriebe vereinen die Tiroler Lebensmittelgewerbe im Bezirk Schwaz unter einem Dach: 16 Bäckereien, 19 Metzgereien, 16 Konditoreien und 32 Nahrungs- und Genussmittelbetriebe. Die Ausgangslage für die Unternehmen ist nach wie vor nicht leicht. Energiepreise und Inflationsrate verursachen hohe Kosten, der Arbeitskräftemangel bleibt für viele Unternehmen ein Problem. Trotz des schwierigen Umfeldes zeigen sich die Lebensmittelproduzent:innen im Bezirk stabil. Grund dafür ist unter anderem der Tourismus, der im vergangenen Jahr seine Rolle als Wirtschaftsmotor wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. „Die Lebensmittelgewerbe benötigen den Tourismus als wichtige Stütze und dieser braucht wiederum uns, um den Gästen authentische Qualität zu bieten“, betont Georg Schuler, Innungsmeister der Tiroler Lebensmittelgewerbe.
Regionalwirtschaftliche Bedeutung
Die rund 80 Lebensmittelproduzent:innen leisten nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Nahversorgung im gesamten Bezirk, sondern tragen auch wesentlich zur Wertschöpfung bei. Die Zahlen einer Studie der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW), die im Auftrag der WK Innung Lebensmittelgewerbe durchgeführt wurde, sprechen für sich: „512,9 Millionen Euro tragen die knapp 580 Tiroler Lebensmittelproduzent:innen zur Wertschöpfung und 657,1 Millionen Euro zum Bruttoregionalprodukt in Tirol bei. Damit verbunden sind 6.319 Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) und ein Einkommenseffekt von 272,4 Millionen Euro pro Jahr“, informiert Simon Franzoi, WK Innungsgeschäftsführer der Tiroler Lebensmittelgewerbe. Neben den privaten Haushalten, profitiert auch die öffentliche Hand mit einem Steuer- und Abgabenaufkommen von 409,8 Millionen Euro.
Von 2010 bis 2020 sind die Umsätze der Tiroler Lebensmittelproduzent:innen leicht auf 589,2 Millionen Euro gestiegen, inflationsbereinigt mussten die Unternehmen in diesem Zeitraum allerdings einen Verlust von 12,9 Prozent hinnehmen.
„Unsere Betriebe haben massiv mit der Teuerung zu kämpfen und wir können die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise schließlich nicht direkt an unsere Kund:innen weitergeben“, gibt Georg Schuler zu Bedenken. Eine derartige Entwicklung wirke sich nicht zuletzt negativ auf alle Tiroler:innen aus. Dies belegt auch die Studie: „So würde die Wirtschaftsleistung in Tirol um 72,5 Millionen Euro nachlassen und 588 Vollzeitarbeitsplätze im Land verloren gehen“, rechnet Innungsgeschäftsführer Simon Franzoi vor. In Tirol würden dadurch jährlich 26,6 Millionen Euro an Einkommen verloren gehen.
Optimistisch stimmt der erkennbare Trend hin zu mehr Regionalität und Qualität. „Die Anstrengungen der vergangenen Jahre haben sich offensichtlich gelohnt“, freut sich Georg Schuler. Vor diesem Hintergrund spricht sich der WK-Innungsmeister für eine weitere Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe aus: „Öffentliche Einrichtungen sollen motiviert und befähigt werden, mehr regionale Produkte der heimischen Metzgereien, Bäckereien, Konditoreien und Nahrungs- und Genussmittelbetriebe zu beziehen.“
Unterstützung für Unternehmen
Kopfzerbrechen bereitet Schuler hingegen das EU-Lieferkettengesetz, welches die Lebensmittelproduzent:innen vor unlösbare Herausforderungen stellt. Um Sozial- und Umwelt-Standards entlang globaler Wirtschaftsströme zu verbessern, sollen mit dem Gesetz europäische Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette in die Pflicht genommen werden. „Zwar sind Klein- und Mittelbetriebe formal ausgenommen, das erweist sich in der Praxis allerdings als irrelevant“, mahnt Georg Schuler. Denn betroffene Unternehmen müssen ihre Sorgfaltspflichten an alle Geschäftspartner:innen weitergeben. Die Bemühungen der EU für nachhaltiges und verantwortungsvollen Wirtschaften seien auf jeden Fall zu begrüßen, betont der Innungsmeister, allerdings brauche es unbedingt rasche, staatliche Unterstützungsmaßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes nicht zu gefährden.
Innovative Lösungsansätze
Im Rahmen der GAW-Wertschöpfungsanalyse wurde außerdem die Stimmung unter den Mitgliedsbetrieben abgefragt. Mehr als die Hälfte der Mitglieder (55,6%) sind „sehr stark bis existenzbedrohend“ vom Fachkräftemangel betroffen.
Um dieser Problematik entgegenzuwirken, gehen unter anderem die Bäcker:innen innovative Wege. „Mit dem neuen Ausbildungsangebot zur Junior-Bäckerin bzw. zum Junior-Bäcker möchten wir speziell Quereinsteiger:innen für das traditionelle Handwerk ansprechen“, erklärt Gerhard Gstrein, Sprecher der Tiroler Bäcker:innen. Der erste Kurs fand im Frühjahr statt. Darüber hinaus setzen einige (Bäckerei-)Betriebe bereits auf die sogenannte Langzeitführung des Brotes. „Mithilfe dieser modernen Technologie können verschiedene Brotsorten vorproduziert und damit Arbeitszeiten attraktiver gestaltet werden“, erklärt der Berufsgruppen-Sprecher dazu.
Auch die Erlebnissennerei Zillertal sieht sich mit dem Problem des Personalmangels konfrontiert. Geschäftsführer Christian Kröll zeigt sich jedoch zuversichtlich: „Wir sind in unserem Betrieb bereits sehr gut aufgestellt und setzen uns mit flexiblen Job-Modellen und Benefits dafür ein, neue Mitarbeiter:innen und Lehrlinge zu gewinnen.“ Der Erlebnissennerei-Geschäftsführer berichtet außerdem: „Trotz der vielen Herausforderungen der vergangenen Zeit, können wir in unserem Betrieb Wachstum verzeichnen.“ Unter anderem sei das auch den zahlreichen Kooperationen mit regionalen Partner:innen und der Symbiose von Tourismus und Landwirtschaft zu verdanken. Außerdem spielt beim Zillertaler Milchveredler das Thema Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. „Die Heumilch unserer Bergbauern wird bei uns im Zillertal verarbeitet, veredelt und verpackt“, fasst Christian Kröll zusammen. Die Erlebnissennerei Zillertal setzt seit bereits 70 Jahren auf die Verarbeitung von Heumilch von Kuh, Schaf und Ziege und wird mittlerweile in dritter Generation geführt.
Gemeinsamer (Online-)Auftritt
Um neue Mitarbeiter:innen für traditionelles Handwerk zu gewinnen und das Bewusstsein für die Tiroler Lebensmittelgewerbe zu stärken, präsentieren sich die Bäcker:innen, Metzger:innen, Konditor:innen und Nahrungs- und Genussmittelbetriebe auf der gemeinsamen Online-Plattform www.tirol-schmeck.at. Seit knapp drei Jahren begeistern die Geschichten, Backstage-Einblicke sowie die Portraits der Menschen hinter den Theken und in den Produktionsstätten tausende User:innen. Bisher erreichten die Beiträge mehr als 740.000 Menschen in und um Tirol.
Zahlen und Fakten:
Bäcker:innen
- 16 aktive Mitglieder im Bezirk Schwaz (ohne Filialen)
- 144 aktive Mitglieder in Tirol (ohne Filialen) – Stand: 31.03.2024
Konditor:innen
- 16 aktive Mitglieder im Bezirk Schwaz (ohne Filialen)
- 117 aktive Mitglieder in Tirol (ohne Filialen) – Stand 31.03.2024
Metzger:innen
- 19 aktive Mitglieder im Bezirk Schwaz (ohne Filialen)
- 125 aktive Mitglieder in Tirol (ohne Filialen) – Stand: 31.03.2024
Nahrungs- und Genussmittelbetriebe (NUGS)
- 32 aktive Mitglieder im Bezirk Schwaz
- 234 aktive Mitglieder in Tirol – dazu zählen:
o Getränkeerzeuger:innen
o Obst- und Gemüseverarbeiter:innen
o Erzeuger:innen von Sekt und Spirituosen
o Molkereien und Käsereien
o Erzeuger:innen von Teigwaren
o Erzeuger:innen von Fischprodukten
o Futtermittelerzeuger:innen
o Müller:innen
o Erzeuger:innen von Speiseeis
Lehrlinge im Bezirk Schwaz
- Bäckerei: 4
- Fleischverarbeitung: 9
- Konditorei (Zuckerbäckerei): 6
- Milchtechnologie: 11