© Die Fotografen (Abdruck honorarfrei)
WK-Präsidentin Barbara Thaler mit dem neuen Landesinnungsmeister Patrick Weber (r.) und seinem Vorgänger Anton Rieder (l.).
Mit einem seiner Herzensthemen verabschiedete sich Anton Rieder im Rahmen des 16. Tiroler Bautages am Donnerstag als Langzeit-Landesinnungsmeister: Der Mittelstand muss gestärkt werden. Das Gebot der Stunde laute: Zusammenarbeit. Damit ging das hochrangige Podium d’accord.
Im Bauweisen bleibt kein Stein auf dem anderen. Digitalisierung, Nachhaltigkeit und nicht zuletzt der demografische Wandel verändern die Branche zunehmend. Für den schrumpfenden unternehmerischen Mittelstand stellen diese Strömungen enorme Herausforderungen, aber auch große Chancen dar.
Um diesem brisanten Thema auf den Zahn zu fühlen, versammelte sich am Donnerstag zum 16. Mal das Who-is-who der hiesigen Baubranche beim Tiroler Bautag. Rund 200 Branchenvertreter und Interessierte waren der Einladung gefolgt. Das Impulsreferat von Swietelsky-CEO Peter Krammer bot ausreichend Stoff für eine anregende Podiumsdiskussion, ehe Anton Rieder nach 16 Jahren seine Funktion als Landesinnungsmeister Bau an Patrick Weber übergab. Durch den Nachmittag in der bis zum letzten Platz gefüllten Werkshalle der BAUAkademie Tirol in Innsbruck führte Paul Tesarek.
Mittelstand auf dem Rückzug
In seiner Abschiedsrede zog Rieder erfreulich Bilanz über die gelungenen Bestrebungen in Sachen Berufspflege sowie Aus- und Weiterbildung, räumte aber selbstkritisch ein: „Mein Ziel, den Mittelstand abzusichern, konnte ich nicht erreichen.” Es gebe in Tirol fast nur noch sehr große oder sehr kleine Baubetriebe. Aktuell liege die Anzahl der Mittelständer bei zwölf. Allein in den vergangenen zwei Jahren hätten sechs aufgehört bzw. seien übernommen worden.
Diesem Trend gelte es entschieden entgegenzuwirken. „Der Mittelstand muss unterstützt und gestärkt werden, um die langfristige wirtschaftliche Gesundheit Tirols zu sichern”, appellierte Rieder, schließlich trage er „wesentlich zur wirtschaftlichen Stabilität, Beschäftigung, Innovation und regionalen Entwicklung bei.”
„Unser Miteinander ist immens wichtig”
Dem schloss sich auch VIBO-Präsident Peter Krammer im Rahmen seines Vortrags zum Thema „Quo vadis, Baubranche 2040?” an. Der Mittelstand mache ⅔ der gesamten Wertschöpfung Bau in Österreich aus. „Auch wenn wir als Swietelsky international aufgestellt sind, können wir unseren hohen Qualitätsanspruch und unsere Leistung nur dann abrufen, wenn wir auf das Know-How und die Kapazitäten der KMU zurückgreifen können”, hob der Bauindustrielle die wichtige Rolle des Mittelstandes hervor und betonte: „Unser Miteinander ist immens wichtig.”
Baubranche als Teil der Lösung
Als einer der profiliertesten Baumanager Europas wusste Krammer von drei Megatrends zu berichten, die es zu bewältigen gelte: Nachhaltigkeit, Arbeitskräftemangel und Produktivität. Das Bauwesen sei in Sachen Energiewende Teil der Lösung, so Krammer: „Die Bedeutung nachhaltigen Wirtschaftens muss jeder Betrieb erkannt haben, um überleben zu können.”
Als Arbeitgeber müsse man sich angesichts der anstehenden Pensionierungswelle auf neue Office-Konzepte einstellen und das Employer Branding verbessern, um langfristigen Erfolg zu sichern, schließlich herrsche in Österreich ein überdurchschnittlicher Mangel an Fachkräften. Letztlich ging Krammer auf die Produktivitätssteigerung ein, die sich in anderen Branchen wesentlich schneller verbessert habe. Hier ortete der ehemalige Strabag-Vorstand enormes Potenzial. Die Trennung von Planen und Bauen sei eines der großen Hindernisse, zudem fehle es an einheitlichen Plattformen und Standards in der Dokumentation, Verwaltung und auch bei BIM (Building Information Modeling).
Künstliche Intelligenz (KI) könne den Fachkräftemangel zwar abfedern, allerdings ist Krammer sicher: „Bauarbeiter auf Baustellen werden so schnell nicht durch humanoide Roboter ersetzt werden können. Qualifizierte Handwerker werden unabhängig von all diesen rasanten Entwicklungen auch langfristig noch benötigt werden.”
„KMU müssen Chancen erkennen und wahrnehmen”
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion herrschte Einigkeit darüber, dass die Zukunft des Mittelstandes nur gesichert ist, wenn alle an einem Strang ziehen. Man sei auf die Zusammenarbeit angewiesen, große Unternehmen hätten dieselben Herausforderungen zu bewältigen wie die kleinen. „Wir müssen kreativ sein, uns austauschen und unser Wissen auf eine breitere Basis stellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben”, so Anton Rieder. Peter Krammer befand: „Dort wo eine Notwendigkeit ist, ergibt sich auch immer eine Chance – und KMU haben sehr wohl Chancen, wenn sie sie erkenne und wahrnehmen.” Dem schloss sich auch Patrick Weber an: „Kleinere Betriebe haben den Vorteil, wesentlich schneller und effizienter arbeiten zu können.”
Allerdings sei es laut Rieder für den Mittelstand aufgrund fehlender finanzieller und personeller Ressourcen oft schwierig, die Trends in Sachen Digitalisierung oder Nachhaltigkeit umzusetzen, hier sei es ein hohes Maß an Unterstützung gefordert. ATP-Chef Christoph M. Achammer bezeichnete Rieders Unternehmen RIEDERBAU als „leuchtendes Beispiel, dass man aus dem Mittelstand innovativer sein kann als die großen” und übte gleichzeitig Kritik an der mangelnden Zusammenarbeit zwischen Planern und Ausführen, aber auch der Abgrenzung von Architekten und Ingenieuren. „Wir haben das Zusammenarbeiten verlernt”, befand er eindringlich und fügte hinzu: „Nur mit einem Dreigestirn aus Planung, Ausführung und Bauherren können wir gute Häuser bauen.”
Amtsübergabe
Weiter zusammenarbeiten möchten auch der nunmehrige Ex-Landesinnungsmeister Anton Rieder und sein Nachfolger Patrick Weber. Nach dem Erwerb des Medicent sei am Gelände neben der Tiroler BAUAkademie beim WIFI in den nächsten Jahren ein „Haus der Bauwirtschaft“ geplant – ein Gemeinschaftsprojekt, das die Tiroler Baubranche in die Zukunft führen soll.
Rieder übergab das Amt nach 16 Jahren und damit ein Jahr vor der nächsten Wirtschaftskammerwahl turnusmäßig an den planenden Baumeister Patrick Weber, der bis dato als Bezirksobmann der Wirtschaftskammer Innsbruck-Land tätig war und Geschäftsführer der in Kematen ansässigen Baupuls GmbH ist. Rieder bleibt weiterhin Tiroler WK-Vizepräsident und Bundesinnungsmeister-Stellvertreter.
Die Tiroler WK-Präsidentin Barbara Thaler sprach Anton Rieder in ihrer Rede ihren tiefsten Dank aus und hob besonders seine Innovationskraft und den „Blick fürs große Ganze” hervor. Sie sei „absolut überzeugt, dass die Fachgruppe im Sinne der Mitglieder bestens fortgeführt wird”. Weber werde den erfolgreichen Weg von Rieder auf seine eigene Art und Weise weitergehen und „ein exzellenter Obmann sein.”