Nach zwei herausfordernden Jahren erholt sich Tirols Wirtschaft spürbar – doch Investitionen bleiben verhalten. Jetzt ist die Politik gefordert, den Aufschwung abzusichern.
© WK Tirol / Lichtraum
WK-Präsidentin Barbara Thaler.
WK-Präsidentin Barbara Thaler und Wirtschaftslandesrat Mario Gerber präsentierten heute das aktuelle Top Tirol Konjunkturbarometer. Bereits im Vorfeld wurden die Ergebnisse bei der Konjunkturkonferenz des Landeshauptmanns mit den Spartenobleuten diskutiert. Diese Konferenz ermögliche es der Politik, die Lage der Tiroler Betriebe direkt kennenzulernen, so Thaler. Die Umfrage zeige nicht nur ein umfassendes Bild der Wirtschaft, sondern auch konkreten Handlungsbedarf, ergänzte Gerber.
Zentrale Ergebnisse
Barbara Thaler fasste die zentralen Ergebnisse so zusammen: Tirol bewegt sich nach zwei Jahren Talsohle endlich wieder in Richtung Stabilisierung: Geschäftsklima und Auftragslage der Leitbetriebe hellen sich merklich auf, und auch die einst gedrückte Ertragslage entspannt sich langsam. Der Geschäftsklimaindex hat nach mehreren Jahren im Minus wieder auf einen positiven Wert gedreht. „Die Lage ist also besser – aber sie ist noch nicht gut“, brachte Thaler die Situation der Tiroler Betriebe auf den Punkt. Sorgen bereitet der Präsidentin vor allem die nach wie vor deutliche Investitionszurückhaltung: Wenn Unternehmen überhaupt investieren, handelt es sich vor allem um Rationalisierungs- und Ersatzinvestitionen. Nur 14 % der Betriebe planen wachstumsfördernde Erweiterungsinvestitionen.
Keine Entwarnung gibt es in der Industrie. Zwar deutet sich hier ebenfalls eine leichte Entspannung an, allerdings bezeichnen immer noch 32 % der Betriebe ihre wirtschaftliche Lage als schlecht (gegenüber 49 % zu Jahresbeginn). Der herrschende Wettbewerbsnachteil ist nach wie vor ein Alarmzeichen, auf das die Politik reagieren müsse, so die Präsidentin im Rahmen der Pressekonferenz.
Auch beim Personal herrscht Rationalisierungsdruck: Ein Viertel der Betriebe plant Stellenabbau, lediglich 13 % wollen neue Kräfte einstellen. Somit haben Rationalisierung und Risikovermeidung bei den Geschäftsentscheidungen der Tiroler Leitbetriebe derzeit oberste Priorität.
Auch für Mario Gerber bietet die Umfrage erste erfreuliche Lichtblicke – aber noch keine Entwarnung. „In vielen Betrieben, stimmen die Umsätze wieder, aber die Ertragslage ist noch nicht dort, wo sie sein sollte. Auch im Tourismus ist mangelnde Wertschöpfung ein großes Thema“, so Gerber. Der Landesrat versicherte, dass die Tiroler Landespolitik mit Entbürokratisierung, gezielten Förderungen in Innovation und Wachstum sowie Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel den Betrieben Rückenwind verleihen will. „Wer ständig bremst, bleibt irgendwann stehen – und das darf uns am Standort Tirol nicht passieren“, betonte Gerber.
Drei Forderungen der Wirtschaft
Barbara Thaler erklärte, dass es jetzt die Aufgabe der Politik ist, diese ersten Anzeichen eines Aufschwungs zu unterstützen. Es gibt immer noch zu viele Betriebe, etwa in der Industrie oder im Bau, die mit Schwierigkeiten kämpfen. Daher stellte sie aus Sicht der Wirtschaft drei zentrale Forderungen auf:
Erstens müssen die Arbeitskosten gedämpft werden. Um die Ertragssituation der Unternehmen nachhaltig zu verbessern, müssen die Lohnnebenkosten auf das OECD-Durchschnittsniveau abgesenkt und die zuletzt stark gestiegenen Lohnstückkosten gebremst werden. Dazu braucht es entsprechendes Augenmaß in den Kollektivverhandlungen. Nur so können Betriebe in einem hart umkämpften europäischen Umfeld ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern.
Zweitens gilt es, wettbewerbsfähige Energiepreise zu garantieren. Österreich muss die Strombesteuerung schnellstmöglich auf das von der EU-Kommission empfohlene Minimum von 0,5 €/MWh reduzieren. Dieses Minimum hat einer unserer wichtigsten Nachbarn – Deutschland – bereits umgesetzt. Das österreichische Niveau von 15 €/MWh ist ein deutlicher Standortnachteil für unsere Betriebe. Der von BM Hattmannsdorfer angekündigte Industriestrombonus ist eine erste wichtige Maßnahme für Großbetriebe, der weitere Schritte folgen müssen.
Drittens ist der Abbau der Bürokratie notwendig. „Bürokratieabbau kostet kein Geld – im Gegenteil, er spart uns Geld. Und er schafft sofort bessere Bedingungen für Wachstum und Beschäftigung“, betonte die Präsidentin. Sie hob positiv hervor, dass das Land eine der wichtigsten Forderung der Wirtschaftskammer im Rahmen des Tirol Konvents aufgenommen hat: die digitale Verfahrensplattform. Aus Sicht der Tiroler Wirtschaft braucht es neben einer raschen Umsetzung noch dringend begleitend verbindliche Fristen (z.B. bei der Vollständigkeitsprüfung innerhalb einer Woche), um die Planungssicherheit zu verbessern.
„Mit diesen drei Hebeln – Arbeitskosten, Energiepreise und Bürokratieabbau – kann die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts gesichert werden. Damit erhalten die Betriebe den nötigen Raum, um unternehmerisch tätig zu sein und in die Zukunft zu investieren“, ist die Präsidentin überzeugt.
Die wichtigsten Ergebnisse des Top Tirol Konjunkturbarometers: Geschäftsklimawert dreht ins Positive Der Geschäftsklimawert (= Mittelwert zwischen der aktuellen Lage und den Erwartungen für die kommenden sechs Monate) erreicht mit +18 % den besten Wert seit Sommer 2022. Bis auf die Tiroler Industrie hat sich der Geschäftsklimawert in allen Branchen ins Positive gedreht: Mit -6 % bleibt der Geschäftsklimawert der Industrie zwar im negativen Bereich, hat sich aber gegenüber der Situation zu Jahresbeginn deutlich gebessert (damals: -36 %). Im Tiroler Tourismus erreicht der Geschäftsklimawert +54 %, gefolgt von der Sparte Information und Consulting mit 37 % und dem Tiroler Handel mit 29 % – trotz anhaltender Konsumzurückhaltung bei größeren Anschaffungen. Ins Positive gedreht hat sich der Geschäftsklimawert in der Tiroler Bauwirtschaft von -38 % zum Jahresbeginn auf nun +21 %. Weiterhin stabil bleibt das Tiroler Gewerbe: der Geschäftsklimawert hat sich von zuletzt 24 % leicht auf 29 % verbessert.
Wirtschaftslage bessert sichIn den letzten sechs Monaten hat sich die wirtschaftliche Lage der Tiroler Leitbetriebe in allen Branchen verbessert. 34 % bewerten ihre Situation jetzt als gut, 51 % als durchschnittlich und 15 % als schlecht. Zum Jahreswechsel 2024/25 lagen diese Werte noch bei 21 % für eine gute und bei 30 % für eine schlechte Einschätzung. In der Tiroler Industrie, in der noch zum Jahreswechsel 49 % der Unternehmen von einer schlechten wirtschaftlichen Lage berichteten, hat sich das Bild verbessert: 24 % bezeichnen die wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens mittlerweile als gut (gegenüber zuletzt 13 %) und 32 % als schlecht (gegenüber zuletzt 49 %).
Nachfrage zieht an Die Nachfrage hat deutlich angezogen: 28 % der Leitbetriebe melden eine gute Auftragslage – doppelt so viele wie zum Jahreswechsel (14 %) – und nur noch 24 % sind unzufrieden (zuvor 33 %). In der Industrie bleibt das Bild noch gemischt: 41 % verzeichnen eine schwache Auftragslage (Jahresbeginn: 60 %), Betriebe mit guter Auftragslage legten von 5 % auf 18 % zu. Trotz eines zögerlichen Saisonstarts im Mai sehen 40 % der Tourismusbetriebe ihre Buchungslage als gut, nur 15 % als schlecht. Allerdings hinkt die Wertschöpfung pro Gast hinter den Nächtigungszuwächsen her. In der Bauwirtschaft hat sich die Stimmung ebenfalls aufgehellt: 33 % berichten von vollen Auftragsbüchern (vor einem Jahr nur 8 %), 19 % bleiben unzufrieden. Als zuverlässige Konjunkturstützen mit einer guten Auftragssituation erweisen sich nach wie vor die Verkehrswirtschaft (44 %) und Information & Consulting (32 %).
Ertragslage entspannt sichIn den letzten fünf Jahren schwankten die Ertragslagen stark, ausgelöst durch Corona-bedingte Nachfrageschwankungen und höhere Arbeits- und Energiekosten. Seit Jahresbeginn entspannt sich die Situation leicht: Zu Beginn des Jahres meldeten 42 % der Unternehmen, dass sie mit ihren Roherträgen (Umsatz abzüglich Waren-/Materialeinsatz) unzufrieden sind; aktuell sind es 30 %. Von einer guten Ertragslage berichten aktuell 20 % (gegenüber 10 % zu Beginn des Jahres).
Für eine Verbesserung der Ertragssituation der Unternehmen ist neben einem Anstieg der Nachfrage insbesondere ein „Brechen“ der zuletzt hohen Dynamik bei den Arbeitskosten (Lohnstückkosten) dringend erforderlich. Diese Dynamik hat auch zum Verlust an Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen geführt: diese Entwicklung hat sich auch in den vergangenen sechs Monaten fortgesetzt: 28 % der Leitbetriebe im Gewerbe (ohne Bau) und 23 % der Betriebe in der Tiroler Industrie geben an, dass sich ihre Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert hat.
Eckdaten der Umfrage
• Anzahl der mitwirkenden Leitbetriebe: 219 mit insgesamt 42.790 Mitarbeiter:innen
• Befragungszeitraum: 26. Mai 2025 bis 16. Juni 2025