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Diskutierten beim Tiroler Bautag 2025 über das Thema leistbares Wohnen (v.l.): Wohnraumentwicklungs-Experte Wolfgang Amann, Innungsgeschäftsführer Matthias Marth, Landesinnungsmeister Patrick Weber, Landtagsvizepräsidentin Elisabeth Blanik, Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler und Studien-Autor Stefan Jenewein (GAW).
Am 6. März 2025 fand der 17. Tiroler Bautag in Innsbruck statt. Im Fokus stand die Frage, wie der Zugang zu leistbarem Wohneigentum für die Mittelschicht verbessert werden kann. Experten präsentierten praxisnahe Lösungsansätze, um den Tiroler Wohnungsmarkt zukunftsfähig zu gestalten.
Der Tiroler Bautag hat sich als eine der wichtigsten Veranstaltungen der Tiroler Bauwirtschaft etabliert und lockte am 6. März 2025 an die 120 Branchenvertreter:innen in die BAUAkademie Tirol in Innsbruck. Die Veranstaltung widmete sich in diesem Jahr einem der drängendsten Themen: dem Bedarf an leistbarem Wohnraum in Tirol. Im Fokus stand dabei insbesondere der Erwerb von Eigentum im privaten Sektor – also die Frage, wie auch die Mittelschicht Zugang zu leistbarem Wohneigentum erhalten kann. Die Veranstaltung – moderiert von Thomas Oberhuber – begann mit einer Begrüßung durch Landesinnungsmeister Patrick Weber. In seiner Rede ging er auf die zunehmenden Herausforderungen beim Erwerb von Wohneigentum ein: „Gestiegene Kosten, hohe Zinsen und ein massiver Rückgang bei der Schaffung von Eigentumswohnraum in Tirol machen es der Mittelschicht schwierig, sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Zudem sorgen hohe Auflagen der öffentlichen Hand für zusätzliche Hürden. Heute möchten wir Wege aufzeigen, wie leistbarer Wohnraum im privaten Sektor wieder möglich gemacht werden kann.“
Wohnbedarf in Tirol liegt bei 4.700 Wohnungen pro Jahr
Wolfgang Amann, ein führender Experte auf dem Gebiet der Wohnraumentwicklung, lieferte in seinem Impulsvortrag wertvolle Einblicke in den aktuellen Wohnungsbedarf in Tirol. Auf Basis zahlreicher Parameter hat Amann eine Bedarfsanalyse erstellt. Demnach werden in den kommenden fünf Jahren jährlich etwa 2.000 neue Haushalte in Tirol entstehen. „4.700 Wohneinheiten pro Jahr werden benötigt, um stabile Märkte zu garantieren. Diese Zahl umfasst sowohl Neubauten als auch Wohnungen, die durch Um- und Ausbauten in bestehenden Gebäuden entstehen“, so Amann. Besonders kritisch sieht der Leiter des renommierten Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW), den Rückgang im Eigentumswohnbau „Menschen wünschen sich hochwertige Eigentumswohnungen. Eigentum zu forcieren, sollte eine prioritäre Aufgabe der Landesregierung sein.“ Wird nicht ausreichend gebaut, sind die Folgen gravierend: Weniger Wohnraum bedeutet steigende Preise und eine zunehmende Verknappung am Markt, was letztlich auch Arbeitsplätze gefährdet. Daher brauche es dringend Maßnahmen, um die Angebotsseite im Sektor der Eigentumswohnungen zu stärken.
Wohnbauförderung neu denken: Wie Tirol von Vorarlberg lernen kann
Stefan Jenewein von der GAW brachte praxisorientierte Lösungsansätze zur Optimierung der Wohnbauförderung ein. Eine von der GAW durchgeführte Studie verdeutlichte, dass ein Tiroler Haushalt für eine 65 m² große Eigentumswohnung monatlich 379 Euro mehr bezahlen muss als ein Haushalt in Vorarlberg – ein erheblicher Unterschied, der durch niedrigere Durchschnittseinkommen in Tirol noch verstärkt wird. Zudem zeigte Jenewein anhand eines weiteren Fallbeispiels, dass eine höhere Nettonutzflächendichte in Mehrwohnungshäusern die Kosten erheblich reduzieren kann: Eine Verdichtung von 0,45 auf 0,65 senkt die Kosten für eine 65 m²-Wohnung um 44.400 Euro. Auch die Landesinnung Bau Tirol spricht sich dafür aus, das Vorarlberger Wohnbauförderungsmodell in Tirol zu übernehmen, um zinsgünstige Finanzierungen für den Erwerb von Wohnraum am freien Markt zu ermöglichen. Stefan Jenewein präsentierte nicht nur Lösungsansätze für die Wohnbauförderung, sondern lieferte auch Zahlen zu den Errichtungskosten. Die Kosten einer Wohnung setzen sich aus drei Hauptfaktoren zusammen: 44,1 Prozent entfallen auf die Errichtungskosten, 15,2 Prozent auf den Grundstückspreis und ganze 40,7 Prozent auf Steuern, Abgaben, Gebühren und Sozialversicherungsbeiträge. Das zeigt deutlich, dass der Anteil staatlicher Abgaben eine erhebliche Belastung darstellt. Fazit: Die Steuer- und Abgabenlast ist zu hoch und wirkt sich direkt auf die Leistbarkeit von Wohnraum aus.
Leistbares Wohnen: Zwischen unterschiedlichen Ansätzen und dringendem Handlungsbedarf
Im Anschluss an die Fachvorträge beleuchtete eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion verschiedene Perspektiven zum Thema leistbares Wohnen. Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler verwies auf Vorarlberg als mögliches Vorbild für Anpassungen in der Wohnbauförderung: „Wir setzen uns intensiv mit leistbarem Wohnen auseinander. Dabei müssen wir auch hinterfragen, warum die Baukosten so stark steigen – und genau das gilt es zu analysieren.“ Landtagsvizepräsidentin Elisabeth Blanik ergänzte: „Zudem müssen wir neue Wohnformen in den Blick nehmen, denn immer mehr Menschen leben alleine – kompaktere Raumnutzungen sind gefragt. Gleichzeitig stellt sich die Frage: Wie bringen wir eine eigene Bauordnung für Bestandsgebäude auf den Weg?“ Einig war man sich darüber, dass die bestehenden Normen entschärft und vereinfacht werden müssen, um Baukosten zu senken und leistbares Wohnen zu ermöglichen. Die Diskussion machte deutlich, dass leistbares Wohnen nur durch eine enge Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gesichert werden kann. Es braucht den Einsatz aller Beteiligten, um nachhaltige Lösungen für Tirol zu finden.
Fünf zentrale Forderungen der Landesinnung Bau Tirol
Die Landesinnung Bau Tirol setzt sich aktiv für Maßnahmen ein, die den Wohnungsmarkt entlasten und Bauen wieder erschwinglich machen. Fünf zentrale Lösungsansätze stehen dabei im Fokus. Eine zinsgünstige Wohnraumfinanzierung nach Vorarlberger Vorbild soll den privaten Wohnungskauf erleichtern, da die aktuelle Wohnbauförderung unzureichend ist. „Hier haben wir eine Studie in Auftrag gegeben, die Ergebnisse werden heute beim Bautag vorgestellt von Stefan Jenewein von der GAW“, erklärt Patrick Weber. Zudem braucht es eine gezielte Nachverdichtung bestehender Flächen durch höhere Baudichten oder eine „Umbauordnung“, um rechtliche Hürden abzubauen. „Es braucht hierzulande dringend Erleichterungen in der Tiroler Bauordnung, insbesondere bei den technischen Bauvorschriften und Stellplatzverordnungen“, fordert die Landesinnung. Steuererleichterungen für den ersten Hauptwohnsitz, etwa durch eine Mehrwertsteuerbefreiung oder bessere Abschreibungsmöglichkeiten, sollen die finanzielle Belastung senken. Vereinfachte Bauvorschriften, wie ein Gebäudetyp E mit weniger normativen Vorgaben und der Verzicht auf teure unterirdische Bauteile, könnten Kosten erheblich reduzieren. Schließlich fordert die Innung schnellere Genehmigungsverfahren mit klaren Fristen und digitalen Prozessen, um Bauprojekte zu beschleunigen und den Wohnungsmarkt zu entlasten.